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Kapitel 2

MÄRKTE UND HANDWERK Kapitel 2

Der Lotus ist die Blume Buddhas. Gleich nach seiner Geburt machte er sieben Schritte, und bei jedem erblühte eine Lotusblüte unter seinen Füßen. Ganze zehntausend Stängel der heiligen Blume benötigt man, um einen Meter Lotusseide zu spinnen, aus einer Faser fein wie Spinnweben. Eine Arbeiterin sitzt etwa eine Woche an einem Schal aus dem kostbaren Gewebe, für einen seidenen Longyi mit einem komplizierten traditionellen Muster arbeitet sie einen Monat. Stunde um Stunde, mit Feingefühl, Geduld und Erfahrung.

Myanmar ist das Land des Handwerks. Im ganz ursprünglichen Wortsinn. Arbeiten, die anderswo von Maschinen gemacht werden, werden hier von Menschenhand mit einer fast meditativen Geduld ausgeführt. Der Effekt für den Betrachter: Man lernt den Wert dieser Arbeit zu schätzen. Ganze Straßen oder Viertel gehören einem bestimmten Handwerk: den Sandalenmachern, Holzschnitzern, Bronzegießern, Silberschmieden oder Steinmetzen.

Die Märkte, allen voran der Bogyoke-Markt in Yangon, sind Schatztruhen voll von Juwelen, Gold, Marmor, Seide und natürlich den berühmten Lackarbeiten. Leicht und widerstandsfähig sind diese Gefäße in den typischen Farben Schwarz oder Rot und eignen sich sowohl als Deko-Objekte als auch zur praktischen Benutzung. Lackobjekte gehörten früher zu den wichtigsten Symbolen der hierarchischen Ordnung. Drei Mal im Jahr verschenkte der König Dosen für Betelnüsse, Tafelaufsätze, Tabletts, Teebecher oder Reisschalen an Angehörige des Hofes und andere wichtige Personen des Reiches. Das Harz des Lacquer Tree wird, ähnlich wie Kautschuk, durch das Anritzen der Rinde gewonnen. Es hat zunächst eine braune Farbe und wird im Lauf einiger Tage unter Einfluss von Sauerstoff langsam dunkler, bis es schließlich tiefschwarz ist.

Das Skelett fast jeder Lackarbeit besteht aus Bambus, manchmal sogar aus geflochtenem Pferdehaar. Um eine plane Oberfläche zu schaffen, werden die Ritzen des geflochtenen Korpus mit einer Mixtur aus Harz und feinem Flussschlamm bestrichen. Nun kommt das Gefäß für einige Tage in die Trockenkammer und wird im Anschluss abgeschliffen, um der Oberfläche die gröbsten Unebenheiten zu nehmen. Danach wird eine zweite Schicht aufgetragen, diesmal aus einer Mischung von Baumharz und feiner Asche von verbranntem Teakholz-Sägemehl. Nun muss das Gefäß wieder einige Tage trocknen, bis die nächste und feinere Lackschicht aufgetragen wird. Dieser Vorgang muss je nach Qualität vier bis sieben Mal mit immer feiner werdenden Lackschichten und entsprechend sorgfältigem Abschleifen der Oberfläche wiederholt werden. Erst dann ist die Oberfläche für das Gravieren von Ornamenten, Tierkreiszeichen oder höfischen Szenen bereit. Bis zur endgültigen Fertigstellung von Lackwaren können insgesamt fünf bis sechs Monate vergehen.

Von anderem Kaliber als die Märkte, die wertvolles Kunsthandwerk verkaufen, sind jene in den Dörfern für die Dinge des täglichen Bedarfs. Hier ist es meist vor Sonnenaufgang schon lebendig, es wird gefeilscht und gelacht. Es gibt Stände mit unbekanntem Obst und Gemüse, Nudelküchen und CDs. Und alles, was China heute an Plastik-Produkten über seine Grenzen schickt. Es riecht nach Schmalzgebackenem und Knoblauch oder scharf nach Betelnüssen. Häufig liegt alles unter einer Staubschicht, die den Dingen die Farbe nimmt wie ein Sepia-Filter. Doch wenn ein Händler eine Wassermelone aufschneidet, leuchtet das frische Fruchtfleisch in saftigem Pink.

Im Fluss der Langsamkeit

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Kapitel 1 - Flüsse und Boote

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Kapitel 4 - Pagoden, Stupas und Nats

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Kapitel 5 - Glaube und Buddhismus

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Kapitel 6 - Menschen und Menschliches

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Burma/MyanmarIM FLUSS DER LANGSAMKEIT

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