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Kapitel 5

GLAUBE UND BUDDHISMUS Kapitel 5

»Mingalaba!«, so wird man in Myanmar begrüßt. Wörtlich übersetzt heißt das: »Möge Segen über dich kommen!«

In Burma gibt es genug weise und gottesfürchtige Männer, die Segen spenden können. In keinem anderen Land ist der Alltag so eng mit dem Buddhismus verbunden wie in Myanmar. Über eine halbe Million Menschen leben als Mönch oder Nonne, von allen Bevölkerungsschichten durch großzügige Spenden unterstützt. Im Morgengrauen kann man sie durch Städte und Dörfer ziehen sehen. Mönche dürfen nur einmal am Tag essen, und das nur vor elf Uhr. Meist stehen die Dorfbewohner mit den Tempelglocken und den lauten Gebeten und Gesängen auf, die schon frühmorgens aus Lautsprechern erschallen, um Reis und andere Essensspenden zu kochen. Die Gabe wird mit beiden Händen überreicht, und mit Dank ist nicht zu rechnen. Vielmehr müssen die Spender dankbar sein, dass ihre Gaben angenommen werden. Mit Almosen kann man nämlich Verdienste für das nächste Leben erwerben, weshalb reiche Leute oft ganze Klöster oder Pagoden erbauen lassen. Wer über weniger Einkommen verfügt, belegt Buddhastatuen mit Blattgold oder spendet Blumen und Kerzen. Buddhabildnisse sind übrigens nie Abbilder des historischen Buddha, sondern sollen an die Lehre erinnern.

Myanmars Kultur ist zwar aufs Engste mit dem Buddhismus verflochten, doch auch andere Religionen haben ihre Spuren hinterlassen. Das auch als Wasserfest bekannte Neujahrsfest Thingyan hat seinen Ursprung in der Hindu-Tradition. Auch dem Glauben an die Nats steht der Buddhismus tolerant gegenüber. Selbst Bergvölker, die sich als christlich verstehen, verehren Buddhastatuen. Grund für ihr Christentum ist übrigens ein geschickter Schachzug westlicher Missionare: In der ursprünglichen Religion dieser Völker existierte ein ominöser »großer Bruder«, der seine Anhänger dereinst mit einem allwissenden Buch beglücken sollte. Den Rest kann man sich denken.

Einzig mit der religiösen Minderheit der Muslime gibt es in den letzten Jahren Probleme, speziell im Rhakine-Staat, der an Bangladesch grenzt. Angehörige der Rohingya wurden teilweise pogromartig verfolgt, und manche Mönche geben sich in der Auseinandersetzung alles andere als friedlich. Beobachter glauben, die Differenzen zwischen Bevölkerungs- und Religionsgruppen habe es immer gegeben, doch das Militär habe alle Auseinandersetzungen unterbunden. Nach dem Ende der Diktatur brechen diese Gräben wieder auf.

Mönche sind eine moralische Instanz, die sogar in das politische Geschehen eingreift. Der sogenannten Safran-Revolution von 2007 gaben Mönche, die in ihren traditionellen Roben die Demonstrationen gegen die Regierung anführten, ihren Namen. Grund der Aufstände war die Aufhebung von Subventionen für Benzin und Reis, durch die sich die Lebensumstände der Bevölkerung rapide verschlechterten. Wohl auch im Vertrauen auf ihren unangreifbaren Status bildeten Mönche rasch die Speerspitze der Bewegung und weigerten sich, Almosen von Militärangehörigen anzunehmen. Bei der blutigen Niederschlagung der Proteste wurden sie zu Hunderten verhaftet und im Gefängnis sogar gefoltert.

Der Buddhismus ist in Myanmar eine Art Staatsreligion, fast neunzig Prozent der Birmanen bekennen sich zur Theravada-Schule. Der Theravada ist die älteste Tradition des Buddhismus und stammt von den ersten Anhängern Buddhas ab, die seine Reden noch selbst gehört haben. Die Betonung liegt im Theravada auf der Befreiung des Individuums durch sich selbst. Jeder muss die Erleuchtung aus eigener Kraft anstreben, weshalb im Theravada nur ein einziger Bodhisattwa – Buddha Maitreya – bekannt ist. In der anderen großen Strömung des Buddhismus, der Mahayana-Schule, nehmen Bodhisattwas eine zentrale Rolle ein. Bodhisattwas sind Menschen, die bereits erleuchtet sind und als sterblich auf der Erde bleiben, um allen anderen bei ihrem Weg zur Erleuchtung zu helfen. Von ihnen sind, so der Glaube, diverse unter uns.

Frauen sind im konservativen Theravada-Buddhismus als ordinierte Nonnen übrigens nicht zugelassen. Ihnen ist nur ein Leben als Bikkhunis, sogenannte »rosa Nonnen«, möglich, das sie jedoch nicht zu einem Teil des Klerus macht, sondern lediglich zu frommen Laien-Frauen, die sich unter anderem dem Zölibat verpflichten und auch nicht das Recht haben, Zeremonien durchzuführen.

Ohne den Buddhismus jetzt im Detail erklären zu wollen, hier die Grundsätze des buddhistischen Glaubensbekenntnisses: Nach der buddhistischen Lehre häuft jedes Lebewesen in seinem Lebenszyklus durch sein Verhalten gutes oder schlechtes Karma an, eine Art metaphysisches Girokonto, das sich im Plus oder Minus befindet. Der Kontostand bestimmt, in welcher Form man wieder auf die Erde kommt – als Mensch, himmlisches Wesen, Dämon oder Tier. Für einen Buddhisten ist es das höchste Ziel, diesen Kreislauf der Wiedergeburten, genannt Samsara, zu durchbrechen und dadurch den Zustand Nirwana zu erreichen, der eine ganz neue Seinsweise darstellt.

Der Buddhismus kennt vier edle Weisheiten:

  1. Leben ist Leiden. Niemand kann immer nur glücklich, zufrieden und gesund sein.
  2. Die Ursache für dieses Leiden ist Begehren.
  3. Sobald man nicht mehr begehrt, gibt es kein Leid mehr.
  4. Das Mittel zur Befreiung vom Leiden ist der Edle achtfache Pfad.

Der Edle achtfache Pfad umfasst:

  1. rechte Anschauung,
  2. rechtes Wollen für sich und andere Lebewesen,
  3. rechtes Reden durch Meidung von Lügen, Geschwätz und übler Nachrede,
  4. rechtes Handeln,
  5. rechtes Leben durch sittliches Verhalten,
  6. rechtes Streben,
  7. rechtes Gedenken,
  8. rechte Sammlung des Geistes durch Meditation.

Die fünf Gebote des Buddhismus lauten:

  1. Töte kein Lebewesen.
  2. Nimm nicht, was dir nicht gehört.
  3. Sprich nicht die Unwahrheit.
  4. Trinke keine berauschenden Getränke.
  5. Sei nicht unkeusch.

Generell wird von jedem Mann erwartet, zwei Mal im Leben »Robe und Schüssel« zu nehmen, das heißt, vorübergehend einem Kloster beizutreten, das erste Mal als Novize im Alter zwischen zehn und zwanzig und ein weiteres Mal im Alter über zwanzig. So sollen auch die einfachen Gläubigen als Mönche auf Zeit Demut erlernen und sich darin üben, ihr Schicksal anzunehmen.

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